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SARS-CoV-2: Ich bin wütend!

Meine Lieben, in den letzen Tagen habe sich die Ereignisse überschlagen. Mehrfach habe ich diesen Artikel umschreiben müssen, weil meine Prognosen oder Befürchtungen bereits eingetreten sind, bevor ich auf „veröffentlichen“ klicken konnte. Am Ende habe ich ihn ganz verworfen. Denn was SARS CoV2 betrifft, bin ich wie viele von uns durch so einige Trauerphasen gegangen. Ich kann euch daher nicht groß beruhigen und ermutigen, denn ich bin wütend!

SARS-CoV-2. Es ist ernst. Es macht Angst.

Am Freitag den 13. wurden in fast allen Teilen des Landes die Schul- und Kitaschließungen verkündet. Kurz vor Schulschluss. Ich hatte sehr gehofft, dass diese Maßnahme nicht notwendig sein würde und ich glaube so ziemlich jede Mutter und jeder Vater hat es mir gleichgetan. Aus finanziellen Gründen, aber auch weil es bedeutet: Leute, es ist ernst! Eine Tatsache, die wir am liebsten ganz weit von uns wegschieben möchten. Kurz darauf folgten weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens, die tageweise verschärft wurden. Nur die Versorgung mit Lebensmitteln und medizinische Hilfe steht uns noch zur Verfügung (und ein neuer Haarschnitt wtf?!). Alles andere macht dicht. Muss dicht machen. Ein shut down light sozusagen. In den umliegenden Nachbarländern gibt es bereits die „harte“ Version. Regelverstöße werden geahndet. Das ist krass. Das macht Angst. Das ist so für uns noch nie dagewesen.

Wir stehen vor einer globalen Katastrophe

Anders sagen kann ich es leider nicht. Es anders zu sagen führt zu unverantwortlichem Verhalten. Und gerade das ist jetzt elementar wichtig: Verantworung! Ihr seht deutlich: ich habe meine Meinung der akuellen Lage angepasst, ebenso meinen Tonfall. Was vor 2 Wochen galt, ist teilweise durch neue Erkenntnisse überholt. Die Ereignisse rennen uns förmlich davon, so schnell wir auch sind: wir kommen kaum hinterher. Agieren ist uns eigentlich nicht oder kaum möglich, es bleibt allein das reagiernen. Das muss dafür umso konsequenter umgesetzt werden. Von uns allen.

Klar ist: SARS-CoV-2 ist immernoch für die allermeisten von uns gesundheitlich ungefährlich. Gefährlich ist die hohe Ansteckungsrate und der Mangel an passenden Impfungen, Medikamente und Erfahrungen. Gefährlich ist unser selbst im Normalfall schon an der Belastungsgrenze arbeitende Gesundheitssystem, das einen Anstieg der Erkrankungsrate in der Bevölkerung einfach nicht standhalten kann. Dabei geht es nicht nur um Betten und Beatmungsgeräte, sondern um das Personal. Schlecht bezahlt und in Mindestbesetzung eingestellt. Um möglichst viel Geld in die Kassen zu spülen.

Ignoranz oder Verwirrung?

Es gibt viele tolle Graphiken, die deutlich zeigen, dass social distancing die Ausbreitung der Infektion des SARS-CoV-2 abmildern, verlangsamen kann. Ohne medikamentöse Therapie und Impfung ist das Abstandhalten unsere einzige Möglichkeit. Es verschafft uns Zeit, die Kapazitäten in den Kliniken so weit wie möglich hochzufahren und die Anzahl gleichzeitig auftretender schwerer Krankheitsverläufe möglichst klein zu halten. Es geht dabei nicht nur um die Risikogruppen (die dennoch absolut auf unser konsequentes Verhalten angewiesen sind) sondern auch um alle anderen, die eine ärztliche Versorgung brauchen. Denn für die wäre im Falle des Falles schlichtweg kein Personal, kein Bett da. Die Politik hat harte Entscheidungen getroffen, die auf die Schnelle leider nicht zuende gedacht wurden. Dazu später mehr. Dennoch: jeder einzene von uns ist nun in der Pflicht, sich zurückzunehmen und viele, viele tun es bereits. Doch viel zu viele scheinen es noch nicht kapiert zu haben.

Unbeschwert tummeln sie sich auf Wiesen und genießen die ersten Frühlingstage. Treffen sich in Anbetracht der geschlossenen Clubs eben zu 20st im „privaten“ Rahmen und denken dabei: ja was eigentlich? Ich kann es nur schwer akzeptieren, aber ich sehe es deutlich: es gibt einfach Menschen, die denken tatsächlich nur an sich selbst. Die lachen uns sagen: ist ja nicht mein Problem. Es gibt Menschen die sind schier zu blöd. Und es gibt Menschen, die einfach nicht mehr wissen, was sie glauben sollen ob der Flut an Stimmen. Letzeres kann ich verzeihen, diese Menschen denken sicher bald um. Der Rest: wacht auf zur Hölle!

Die Phasen der Trauer

Auch ich tue mich schwer mit der aktuellen Situation und der Entwicklung, die uns die Kontrolle über unser Leben nimmt. Es ist beängstigend, was da vor sich geht. Es ist schwer, bei der Flut an Nachrichten und Aussagen den Überblick zu behalten und irgendwie alles einschätzen zu können. In gewisser Weise trauern wir alle um unser normales Leben und das ist durchaus legitim. Wir alle durchlaufen in unterschiedlichem Tempo die klassischen Stadien: Leugnen, Zorn, Verhandeln, Depression und Akzeptanz. Leider ist gerade nicht viel Zeit für die ersten 4 Stadien. Was her muss ist radikale Akzeptanz. Es tut weh. Es tut weh und wir dürfen weinen, schreien, stundenlang telefonieren und alles von der Seele reden. Ja wir sollten das tun, wenn es uns hilft durchzuhalten und die Füße so still wie möglich zu halten. Doch den Verstand ausschalten und blind alles hinnehmen müssen wir deshalb nicht.

Wer zahlt den Preis?

Eines vorweg: social distancing ist der Weg den wir nun gehen müssen! Und in Anbetracht der rasanten Ausbreitung von SARS-CoV-2 sind schnelle Lösungen besser als völlig durchdachte aber langsame Lösungen. Troztdem ist es unsere Aufgabe nun auf die Verbesserungsmöglichkeiten hinzuweisen. Und zwar laut und deutlich. Wir alle müssen wissen: jeder muss nun einen gewissen Preis zahlen. Keiner von uns kann nun in seiner Komfortzone verharren. Es ist schlichweg indiskutabel sich auf „die meisten von uns werden ja eh kaum krank“ zu beschränken. Die Tatsachen können wir uns immer dann vor Augen halten, wenn wir als „Unbetroffene“ in Schockstarre oder Panik verfallen. Ich bin immernoch der Meinung: Panik ist fehl am Platze, ja schädlich. Doch die Abwesenheit von Angst ist nicht gleichbedeutend mit Fahrlässigkeit. Denn die beschert und ganz schnell die Ausgangssperre und ich muss sagen: Wenn ihr nicht langsam mal kapiert, dann bin ich dafür. Ich hasse Zwang, und eine Ausgangssperre fühlt sich noch einmal viel schwerwiegender an als ein freiwilliger Rückzug. Doch wir alle würden es hassen und bereuen, wenn wir die wenige Zeit verschwenden, die wir haben!

Wo bleiben die Eltern?

Dennoch muss ich sagen, dass es nun Zeit ist sich die Maßnahmen genauer anzusehen. Und notwendige Korrekturen und Überarbeitungen vorzunehmen. Es kann nicht sein, dass Eltern auf der einen Seite ihre Kinder allein und zuhause betreuen (ja sogar beschulen!) sollen – gleichzeitig aber unter großen finanziellen Druck stehen. Weil sie es sich schlichtweg nicht leisten können, auf ihr Gehalt (teilweise) zu verzichten. Besonders Familien stehen zu oft auch ohne Krisen unter finanziellem Druck. Sie stehen ohnehin vor der fast unmöglichen Aufgabe, Arbeit und Familie zu vereinbaren. Hier braucht es ganz ganz dringed die ausnahmslose Regelung, den Arbeitsausfall zu 100% auszugleichen. Dazu kommt: gerade Mütter sind in großer Zahl Selbständig, und haben keinen Arbeitgeber der weiter das monatliche Gehalt zahlt. Nicht zu vergessen die Alleinerziehnden! Milliarden Euro werden in Unternehmen gepumpt. Es ist dringend nötig, einen Rettungsschirm für diejenigen einzurichten, die nun ihre Kinder daheim betreuen. Es ist nötig, Schule mal Schule sein zu lassen.

Wo bleibt der Respekt?

Verrückt was ich schon alles gehört habe. Dass Hausaufgaben im Wochentakt in der Schule abgegeben werden müssen. Das wichtige Klausuren am letzten Schultag spontan geschrieben werden. Dass wir Eltern keine Kinder hätten bekommen sollen, wenn wir nicht einmal 5 Wochen mit ihnen aushalten. Leute! Das hier sind keine Ferien. Das hier ist eine akute Ausnahmesituation. Wir bangen um unsere Finanzen. Wir müssen unseren Kindern klar machen, dass sie bis auf unbestimmte Zeit ihre Freunde nicht mehr treffen können. Nicht in den Zoo, ins Schwimmbad, auf den Spielplatz gehen dürfen. Auf dem Land und mit Garten vielleicht gerade noch so tragbar. Mitten in der Stadt…Wir Eltern machen uns Sorgen um die Zukunft der Kinder, um unsere eigenen Eltern. Wir machen uns Sorgen und müssen dabei unsere Kinder auffangen in ihrem Frust. Wer Kinder hat weiß: das ist ein verdammt harter Job! Das ist gerade alles andere als Ferienspaß!

Ich denke auch, dass die Kitaschließung nicht ganz zuende gedacht wurde

Klar, es ist wichtig schnell zu handeln. Doch wer kann den am Freitag alleingelassenen Eltern einen Vorwurf machen? Meiner Meinung nach war es abzusehen, dass viele sich untereinander organisieren. Wie viele Großeltern habe ich in den letzen Tagen mit ihren Enkeln gesehen?! Ja Herr Drosten selbst räumte ein, dass er und seine Frau ihre Tochter von einer Babysitterin daheim betreuen lassen. Wenn ich es nicht ganz falsch verstanden habe auch zusammen mit weiteren Kindern. Ich denke das zeigt deutlich: es braucht ein aushaltbares Maß der Dinge. Eine Lösung, die auch die nächsten Wochen (und wer weiß wie lange noch) von den Familiien mitgetragen und umgesetzt werden kann. Totale Isolation ist ein rational wünschenswerter aber nicht gangbarer Weg. Was bringt diese Vorgabe, wenn Eltern verzweifelt daran scheitern? Wenn hier zu strenge Regeln eher dazu führen, dass sie gar nicht befolgt werden?

Wer lange läuft, braucht Luft zum Atmen

Ich wäre für ein Aufweichen dieser Regel. Keine großen Betreuungsgruppen das ist völlig klar. Doch was wäre mit kleinen, festen Gruppen. So wenig andere Kontakte wie möglich, aber so viel wie nötig. Damit uns der Atem nicht schon auf den ersten Metern ausgeht. Denn neben den finanziellen Folgen macht es psychisch etwas mit uns. Isolation über Wochen hinweg ist eine Foltermethode. Seine Kinder isolieren zu müssen, das ist unmöglich ohne Schäden bei Eltern und Kind. Um aus dem Nähkästcken zu plaudern: meine Kinder (fast 4 und 5) kommen gerade sehr schlecht mit der Lage zurecht. Sie wütend und weinen, weil sie ihre Freunde vermissen. Weil sie nicht raus dürfen und mit den Nachbarskindern spielen. Weil wir nicht auf den Spielplatz gehen. Ich fange sie auf, so gut es geht. Und heule dann später mit. Es ist verdammt hart! Ich möchte mich so gut es geht zurückziehen. Aber ich denke persönlich auch: eine Familie, unsere Lieblingsfamilie als Kontakt, ist wenig genug. Aber sie ist enorm wichtig für mein Durchhaltevermögen.

Ich gehe noch immer durch die Phasen der Trauer. Wie alle von uns. Besonders schwer ist die Unberechenbarkeit. Der Kontrollverlust. Ich frage mich auch, wie hoch der Preis sein wird, den wir zahlen werden. Wie hoch die Kosten sind, für unseren Versuch, etwas aufzuhalten oder zu verlangsamen, das vom Menschen vielleicht nicht verlangsamt werden kann. Das sind meine Gedanken und ich habe lange überlegt sie mit euch zu teilen. Doch ich glaube, ich bin damit nicht allein. Sicher ist dennoch: es nicht zu versuchen ist keine Option!

SARS-CoV-2: Was wir für unsere Zukunft lernen sollten

Es gibt eine tolle Graphik auf Statista die zeigt: In der Krise halten Frauen die Gesellschaft am Laufen

Und nicht nur in Zeiten der Krise! Die offzielle Liste der systemrelevanten Berufe, die Schlüsselpositionen unsere Gesellschaft werden von Frauen ausgefüllt. Es sind zudem Berufsgruppen, die viel zu schlecht bezahlt werden. Meine lieben Politiker und Konsorten: ÄNDERT DAS. Traurig, dass es eine Katastrophe braucht, um das endlich zu verstehen. Doch ich will sehr hoffen, nein ich verlange, dass es nun endlich verstanden wurde. Und sich das in den Gehaltschecks der Zukunft widerspiegeln wird!

Unser Gesundheitsystem darf nicht ökonomisch ausgerichtet sein

SARS-CoV-2 ist für die meisten Menschen gesundheitlich ungefährlich, doch für das menschliche Immunsystem neu und daher ansteckend. Und jeder Mensch, der aus Verantwortungslosigkeit der anderen schwer erkrankt ist zuviel. Doch unsere Möglichkeiten als Menschen erreichen auch irgendwann ihre Grenzen, was das Verlangsamen der Ausbreitung betrifft. Ein wesentliches Problem ist aber auch, dass unser Gesundheitssystem schon lange vor SARS-CoV-2 am Rande der Belastung kriecht. Wir sehen das deutlich in der Geburtshilfe, aber auch auf Normalstation. Bisher wurden die Warnungen des medizischen Personals und betroffener Patienten überhört. Chronische Unterbesetzung, hohe Arbeitsbelastung, gleichzeitig Maximierung des Gewinns für Klinikkonzerne. Die große Masse, die Entscheidungsträger haben weggesehen. Diskussionsrunden, Kritik und Demonstrationen weggewischt.

Jetzt ernten wir alle die Saat, die von wenigen gesäät wurde. Ich verlange auch an diesem Punkt: sobald die aktue Krisenbewältigung geschafft ist, muss unser ganzes System überarbeitet werden. Medizin ist nicht für das Bankkonto gedacht, sie soll den Menschen helfen. Denn SARS-CoV-2 wird nicht der letzte Virus sein, der einmal quer durch den Globus zieht. Lernen wir also aus unseren Fehlern. Machen wir es besser. Bleiben wir wütend und standhaft. Aber auch verantwortungsbewusst: haltet zusammen. Und haltet euch so gut es geht voneinander fern!

3 Gedanken zu „SARS-CoV-2: Ich bin wütend!“

  1. Halte durch!
    Ich befinde mich in mehreren Phasen gleichzeitig. Ich bin wütend und genervt, dann akzeptiere ich, dann wieder finde ich es unwirklich…
    Sohnemann ist seit Sonntag bei der Oma. Unsere beiden Großen vertragen sich nicht gut, so ist es für alle Betroffenen leichter auszuhalten. Ich denke, wenn keine Kontakte außerhalb Großeltern/Kind bestehen, sollte das akzeptabel sein. Ähnlich wie du schreibst mit einer befreundeten Familie, aber eben keine Kontakte außerhalb.
    Ich hoffe sehr, wir kommen um das generelle Ausgehverbot drumrum. Wir wollen bald ins Haus einziehen, da ist noch viel zu tun.
    Und die Kinder müssen raus, ich übrigens auch.
    Ich hab die Woche eine Petition unterschrieben, die das bedingungslose Grundeinkommen für ein halbes Jahr fordert statt Banken- und Große – Firmen-Rettung. Damit würden die Kaufkraft erhalten, die Sorgen reduziert und damit Moral und Durchhaltewille gestärkt.
    LG von TAC

    1. Ja ich springe auch zwischen den verschieden Phasen hin und her. Anders geht es ja gar nicht, da es täglich eine neue Situation gibt, an die wir uns anpassen müssen. Ich hoffe auch sehr, dass eine Ausgangssperre nicht sein muss. Gerade habe ich gelesen, dass es in Köln nun mehr Kontrollen (und Stafen) geben wird, wenn sich Menschen draußen in Gruppen versammeln. wie schön wäre es, wenn dies ausreicen wird. Ich drücke euch für den Umzug alles Gute! LG aus Köln

  2. Grüße aus Bayern mit Ausgangsbeschränkungen! Wir gehen täglich raus mit den Kids – zum Spazierengehen innerhalb der Familie ist das doch erlaubt – auch in Köln!

    Für unsere Kids ist die Umstellung gar nicht so krass, schon in Vorcoronazeiten gab es keine täglichen Animationsprogramme mit Kurs x, Spieldate y usw, bedingt durch die Tatsache, dass mein Mann und ich beide Vollzeit arbeiten. Mit Freunden wird videotelefoniert, die Kids nehmen Videobotschaften für Oma und Opa auf usw… Vormittags ist Homeoffice für mich (Lehrerin) und die Große (Wochenplanarbeit 3. Klasse) angesagt, wir kochen gemeinsam, die Hausarbeit wird geteilt und die Kids mit einbezogen. So läuft das seit dem 14.3. – bisher ohne Lagerkoller.

    Ich hoffe, dass das radikalere Vorgehen in Bayern bald Wirkung zeigt, aber ich gehe davon aus, dass sich an der Situation auch nach den Osterferien nicht so schnell was ändert.

    Ich wünsche euch alles Gute und viel Kraft – durchhalten – ich hab einen Heidenrespekt vor euch und dem Personal in sämtlichen Kliniken!!!!!!!

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