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Vorwehen der anderen Art – Ellas Geburt Teil 1

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Leo war ein absolutes Anfängerbaby, und hat uns das Elternwerden wirklich leicht gemacht. Mit wenigen Wochen hat er mich in die Hörsääle begleitet und kurz darauf habe ich auch wieder meinen Nebenjob in der Pflege aufgenommen (die Handpumpe immer mit dabei). Der kleine Kerl hat auch gerne bei den Paten oder Oma und Opa übernachtet, sodass Pascal und ich recht schnell wieder Zeit für uns als Paar hatten. Im Frühjahr habe ich Pascal sogar eine Woche alleine in den Urlaub geschickt, und bin mit Leo zuhause geblieben um mich auf die anstehenden Klausuren und die mündliche Prüfung in Pädiatrie vorzubereiten.

Studieren und Paarbleiben mit Kind klappt super, dachte ich. Dann muss es mit zwei Kindern wohl auch gehen. Genügend Zeit, genügend Nerven, genügend Platz in der Wohnung. Vor allem aber: sehr, sehr viel Platz in meinem Herzen! Schon in den ersten Monaten zur dritt machte sich in mir das Gefühl breit, dass da noch so viel Liebe ist, die nur darauf wartet geschenkt zu werden. Liebe, die nicht bis nach dem Studium warten kann. Zu meinem Glück waren Pascal und ich in dieser Hinsicht ganz auf einer Wellenlänge und so entschieden wir uns, Kind Nummer 2 schon jetzt zu bekommen (Der Plan sind übrigens 4 Kinder, wenn es gut läuft 😉 )

Leider entschied sich meine Schilddrüse wohl, einfach mal den Geist aufzugeben und dass es eine ganz blöde Idee ist schwanger zu sein. Dick ja, aber bitte ohne das Baby im Bauch. Es folgte ein sehr beschissener Spätsommer, von dem ich eigentlich kaum etwas mitbekommen habe. Der einzige Lichtblick: die Schilddrüsentabletten zeigten halbwegs ihre Wirkung und zumindest meine Blutwerte pendelten sich wieder einigermaßen ein.

Trozt des ärztlichen Rates, mit dem nächsten Versuch ein paar Monate zu warten, versuchten wir es direkt weiter. Körperlich ging es mir gut, und ich finde auch heute noch, dass jeder selbst entscheiden sollte, wann er sich seelisch auf ein neues Kind einlassen kann. Wir konnten und wir wollten. Vorher aber schrie ich all meine Wut, meinen Frust und meinen Schmerz in die Nordsee hinaus. Noch nie haben sich fünf Stunden Autofahrt so sehr gelohnt.

Drei Wochen später und entgegen aller Erwartungen war ich wieder schwanger. Ella hatte es sich in mir gemütlich gemacht und das nur wenige Tage vor Leos erstem Geburtstag. Zwischen Kuchen servieren und Geschenkpapier einsammeln grinste ich stumm in mich hinein. Nur die zukünfige Patentante war eingeweiht. Dieses Mal wollte ich nämlich nicht einfach aus dem Badezimmer gerannt kommen und mich mit dem Satz „Alter, ich bin schwanger“ aufs Sofa plumpsen lassen.

Mit Leos erstem Lebensjahr endete auch Pascals zweite Runde der Elternzeit. Insgesamt hatte er sich für vier Monate freistellen lassen. Zwei am Anfang und zwei am Ende des Jahres. Gleichzeitig wechselte er auch in eine ganz andere Abteilung innnerhalb der Klinik: Raus aus der Orthopädie und rein in den Anzug (zum Glück nicht immer, also das mit dem Anzug) als Klinikkoordinator.

Als Special für sein „Alles Gute zu deinem ersten Arbeitstag“ Geschenk, präparierte ich ein Ü-Ei. Statt Plastikmüll wartete nun eine kleine frohe Botschaft darauf, geöffnet zu werden. Mann, war ich aufgeregt, als Pascal endlich Feierabend hatte und es viel mir unglaublich schwer, ihm nicht direkt das Päckchen unter die Nase zu halten, als er durch die Tür kam. Und vor allem nicht zu brüllen: „Guck doch endlich mal ins Ü-Ei rein!“

Schade nur, dass ich von dem Moment kein Video habe. Beim nächsten Mal dann…wobei das auch einfach so auffällig ist. Wie habt ihr euren Partnern von euren Bauchbewohnern erzählt? Ist es einfach so aus euch rausgeplatzt oder habt ihr euch zusammenreißen können?

Bei Pascal jedenfalls war die Freude groß. Trotz der Erlebnisse der letzen Monate hatten wir beide es geschafft, uns nicht verunsichern zu lassen und darauf zu vertrauen, dass die Natur uns diesmal keinen bösen Streich spielen würde. Und das tat sie auch nicht. Ella hatte sich festgebissen und nahm sich alles, was sie brauchte. Mir war vier Monate lang permanent übel (die Reiseübelkeit ist mir bis heute erhalten geblieben) und auch meine Milch versiegte quasi von einem Tag auf den anderen. Aber die Kotzerei ging vorüber und ich zog sämtliche Kurse und Klausuren durch, die anstanden. Während der Praxiswochen in der Frauenklinik konnte ich mir 4 Mal bestätigen lassen, dass Leo eine kleine Schwester bekommen würde. Und ich erinnere mich vage an den Nahtkurs: Da saß ich hochschwanger und mit Leo auf dem Schoß (die Kita hatte zu) und versuchte, filigrane Knoten in die Gummihaut zu friemeln. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

Den größten Teil der Schwangerschaft konnte ich tatsächlich genießen. Zum Ende hin aber wurde mir immer bewusster: Das Kind muss irgendwie auch raus. Kein schöner Gedanke, nachdem Leos Geburt ein fettes Trauma bei mir hinterlassen hatte. Mir war klar, dass ich nicht noch einmal in das selbe Krankenhaus wollte. Für eine Hausgeburt war ich aber auch zu sehr Schisser und Pessimist. Ich hätte zuhause einfach zu viel Sorge, dass doch eine seltene aber lebensgefähliche Komplikation auftritt und hätte mich nicht richtig fallenlassen können. Von der Hebammensuche mal ganz abgesehen. Allerdings hatte ich auch viel aus der ersten Geburt gelernt und wusste, dass ich nicht nochmal alles stumm über mich ergehen lassen würde. Dass ich mich auf mein eigenes Gefühl verlassen konnte und, sofern ich mich gut fühlte, wieder ambulant entbinden würde.

Also verband ich das Notwendige mit dem Praktischen und machte zwei Wochen Famulatur im Kreißsaal der Uniklinik, 15 Minuten Fußweg von uns entfernt. (Hier studieren und arbeiten wir auch). Einen besseren Blick hinter die Kulissen und die Einstellung den werdenden Mamas gegenüber kann man kaum bekommen. Heute kann ich aus Weißkittel- und Mamasicht sagen: klare Gebärempfehlung!

Nun fehlte nur noch der letzte Schliff: meine Geburtsbegleiter. Dass Pascal wieder mitkommt, war von vorneherein klar. Leo würde währenddessen von meinen Schwiegereltern betreut werden. Als zweite Person habe ich eine ganz liebe Freundin und Kommilitonin gebeten, mich unter der Geburt zu unterstützen. Sie ist ruhig, liebevoll und ich konnte ihr ganz und gar vertrauen und mich in ihrer Gegenwart fallen lassen. Heute ist sie Ellas zweite Patin, frisch gebackene Ärtzin und Mama 🙂

Wenige Wochen vor dem geschätzen Termin hatte ich fast alle Kurse des Semesters geschafft. Es fehlten nur noch ein paar Klausuren, die ich aber habe sausen lassen. Mein Gehirn und mein Körper waren voll auf das Mamawerden konzentriert und ich brauchte ganz viel Ruhe und Zeit für den Nestbau. Außerdem wollte ich so viel Zeit wie nur möglich mit meinem Leo verbringen. Plötzlich kam er mir mit seinen nicht einmal zwei Jahren so klein vor. Viel zu klein, um großer Bruder zu werden. Viel zu klein, um seine Mama mit jemandem teilen zu müssen. Bald würde er nicht mehr mein kleines Baby sein.

Wieder hatte ich das Gefühl, ihm etwas zu nehmen. Erst das plötzliche Stillende. Nun meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Und meine Liebe. Vor wenigen Monaten noch war ich mir so sicher, genügend Liebe für 20 Kinder in mir zu tragen. Aber nun wo es ernst wurde, machten sich Zweifel in mir breit. Und ein sehr schlechtes Gewissen, weil ich so oft an Ella dachte. Weil ich spürte, wie verbunden ich mich mit ihr fühlte. Die meisten Mütter haben Angst, das zweite Kind nicht genug lieben zu können. Ich hatte Angst, dass ich das zweite MEHR lieben würde. Einfach, weil sie nun mein Baby war, meine Hilfe brauchte und meinen Schutz. Rund um die Uhr. Selbst jetzt, da ich die Bilder von damals sehe, kommen mir die Tränen.

Ich saugte daher so viele schöne Momente wie nur möglich auf. Nahm mir ganz viel Zeit mit meinem Sohn, und versuchte ihn gleichzeitig auf sein Geschwisterchen vorzubereiten. Wir schauten uns Bücher wie Wir sind jetzt vier* und Unser Baby* an. Außerdem ließ ich ihn oft den Bauch streicheln und Ellas Tritte spüren. Ich habe ihm immer wieder erklärt, dass da seine kleine Schwester herumschwimmt und bald zu uns kommt. In seinem Alter konnte er natürlich noch nicht so ganz verstehen, was das alles zu bedeuten hat und welche Folgen das noch haben würde. Ein kleines bisschen hat er aber schon realisiert, dass da ein Baby drin ist. Jedenfalls hat er ganz oft dem „Pepi“ Küsschen gegeben. Vielleicht hat er auch nur Pascals Verhalten kopiert, wer weiß das schon. Mehr als darauf vertrauen, dass der kleine Mann auch mit dieser Veränderung klarkommen würde, konnte ich nicht. Babys an sich fand er schon in der Kita ganz toll und war immer sehr fürsorglich. Wenn unser spezielles Exemplar aber plötzlich die ganze Zeit da sein und gefühlt sämtliche Aufmerksamkeit absorbieren würde… ohje!

Auf Anraten meiner Gynäkologin (auch Mehrfachmama), haben wir für Leo ein Geschenk gekauft, dass ihm das Baby „mitbringen“ würde. Liebe ist nicht käuflich und ein Autoteppich* ersetzt keine Mamazeit. Aber der Einstieg „Hey, schau mal. Deine Schwester ist da und sie hat eine Überraschung. Nur für dich!“, kam uns dennoch ganz gut vor. (Spoiler: war ne super Idee!)

Ich hatte alles in meiner Macht stehende getan, um der Angst vor der Geburt und die Sorge um meinen Erstgeborenen entgegenzuwirken. Trotzdem war die Wehmut in den letzen Wochen vor der Geburt mein ständiger Begleiter. Kleiner als vorher, aber immer präsent. Ich glaube, das gehört einfach dazu und ist zum Teil den Hormonen geschuldet. Andererseits bedeutet die Geburt eines Kindes für alle Beteiligten eine massive Veränderung. Und eine recht unvorhersehbare. Leider habe ich es ja nicht so mit dem Neuen. Absolut nicht. Ich hasse es, die Dinge einfach so auf mich zukommen zu lassen. Mittlerweile hat das Leben mit Kindern mich einiges gelehrt und anpassungsfähiger gemacht, aber die Masterleague in Geduld und Gelassenheit werde ich wohl nie erreichen. (What? Und die will vier Kinder?! Paradox, oder?)

Ende der 37. Schwangerschaftswoche hatte ich genug vom Schwangersein. Dafür war ich sehr dankbar, denn dieses Gefühl von „Ich war gerne schwanger aber jetzt will ich mein Kind endlich in den Armen halten.“ hatte ich bei Leo nicht. Der kam ja vier Wochen vor dem ET und ich hatte mich noch nicht wirklich von meinem Babybauch verabschieden können. (Ihr entschuldigt mich, mir ist da was ins Auge geflogen.*Schnief*).

Mein Bauch war nicht der Allergrößte, aber mir fiel einfach alles nur noch schwer. Und ich war unglaublich neugierig auf Ella. Die Senkwehen wandelten sich spürbar und gaben den Geburtswehen das Go. Eine Woche lang hatte ich täglich mehrere Stunden regelmäßige, starke Wehen, die aber immer wieder unregelmäßig und schwächer wurden. Das war anstrengend für mich, hat aber supergute Vorarbeit geleistet und den Muttermund ganz langsam und sanft geöffnet. Die Wellen spülten aber auch mein inneres Chaos davon. Weg war die Angst, fort war die Wehmut. Dafür wuchs die Vorfreude und mein Selbstvertrauen. Ich kann das, wir können das. Komme was wolle, ich lasse jetzt los.

Wie es weitergeht, gibt es bald in Teil 2 zu lesen.

3 Gedanken zu „Vorwehen der anderen Art – Ellas Geburt Teil 1“

  1. Hey Alex!

    Lass Dir von einer recht frischen 4-fach Mama sagen, die notwendige Gelassenheit kommt auf jeden Fall.
    Ich hab mal irgendwo eine klasse Antwort auf die Frage, wie eine Mutter ihr „Helikopter-Verhalten“ im Bezug auf ihre 2 Kinder in den Griff bekommen könne, gelesen. Der Gesprächspartner gab den Rat, sie solle noch 2 Kinder bekommen :).
    Das lässt sich auch auf die Gelassenheit, alle Umstände anzunehmen wie sie kommen, übertragen.
    Da jedes Kind einen eigenen Kopf mitbringt, lernt man lieber ganz schnell, tief durchzuatmen und eine passende Reaktion aus dem Ärmel zu schütteln.

    In Momenten mit viel Durcheinander ziehe ich oft gedanklich meinen Hut vor allen Erzieherinnen, die ja oft mehr als 20 Kinder im ähnlichen Alter auf einmal zu betreuen, beschäftigen und noch zu fördern haben!

    LG DanHo

    1. Hallo Daniela,
      ich bin gestern oder vorgestern auch wieder über eine Studie gestolpert, laut der Mütter mtit 4 Kindern von allen am wenigsten gestresst sind. 3fach Mamas sind dabei am „schlechtesten“ weggekommen. (Mit dennoch großer Bandbreite). War das bei dir auch so?
      Und ja, ich habe besonders in Sachen Geduld und Gelassenheit noch eine Menge zu lernen. Aber das wird schon, hoffe ich 🙂
      Lieben Gruß,
      Alex

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