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Update: Meine Schilddrüse und ich

Update: Meine Schilddrüse und ich #Tagebuchbloggen

Vor fast genau drei Monaten habe ich euch von meinen Kampf gegen die Windmühlen erzählt. Ich hatte meinen letzten Funken Hoffnung in die Klinik und meine Hausärztin gesteckt – und wurde bitter Enttäuscht. Also habe ich meine Behandlung komplett selbst in die Hand genommen. Wie es mir damit geht? Update: Meine Schilddrüse und ich.

fT3, fT4? Vitamin B!

Ohne Beziehungen läuft hier nichts. Oder nur sehr langsam! Wer nicht gerade privat versichert oder selbst in der Klinik arbeitet und bekannt ist, der guckt erstmal ziemlich lang und dumm in die Röhre. Patienten 2. Klasse gibt es nicht? Ha, die gibt es doch. In meinem Fall hätte ich sage und schreibe 3 Wochen auf die Laborergebnisse warten müssen. Ein Vorgang, der in der Regel 1-2 Tage dauert, je nach Umfang des Arztbriefes und Schnelligkeit der Internetverbindung….

Zum meinem Glück (welches ist wirklich sehr schätze!), mögen meine Schilddrüsenhormone unter aller Sau den Referenzwerten sein – mein „Vitamin B“ aber nicht. Wenige Tage nach dem Termin in der Ambulanz halte ich die Ergebnisse der Blutuntersuchung und die „Empfehlung“ der Ärztin in der Hand. Bei dem Anblick wird mir gleichzeitig heiß und kalt – vor Wut und Enttäuschung. Es ist schwer zu sagen, was hier grenzwertiger ist: mein Hormonspiegel oder die superunfachliche Einschätzung von Frau Doktor.

Kopf oder Zahl?

Dass eine Hausärztin nur das Gröbste über die komplexe Erkrankung und Behandlung der Schilddrüse weiß, kann ich noch verstehen. Eine Ambluanz aber, die größtenteils Schilddrüsenpatienten „behandelt“ – die sollte mehr Kompetenz an den Tag legen. Das Unwissen und offensichtlich rein finanziell geprägte Handeln erschreckt mich doch sehr. Und es nimmt sich so ziemlich das letzte Stück des Vertrauens, das ich für die Ärzteschaft noch übrig hatte. Den größten Teil habe ich während der letzten 10 Semester des Studiums bereits verloren. Mit den letzten Krümeln rufe ich meine Hausärztin an und vereinbare einen Termin. Ich habe es satt, und ich lasse mir das nicht länger gefallen. Jetzt bestimme ich allein, wo es lang geht!

Wenige Tage später sitze ich mit dem Ausdruck meines Arztbriefes in der Hand im Wartezimmer und muss mich sehr zusammennehmen, um das arme Blatt Papier nicht in Fetzen zu reißen und wild lachend als Konfetti über die wartenden Köpfe zu verteilen. Dann würde der Wisch wenigstens einen guten Zweck erfüllen. Bevor es dazu kommt, werde ich aufgerufen. Ist wohl auch besser so…

Was lange währt…

Der Klang meines Namens ist noch nicht ganz verklungen, da stehe ich schon mitten im Flur und renne Frau Doktor D. fast um, die mir gerade die Tür zum Sprechzimmer öffnen möchte. Flucht nach vorne, würde ich sagen…

Wir begrüßen uns und ich setze mich hin, bevor ich meinem Gegenüber noch zu nahe trete. Ich überreiche schweigend die Botschaft und warte ab, während ich vorsichtig den kleinen Vertrauenskrümel auf den Tisch lege. Ich sehe, wie die ärztlichen Augenbrauen in die Höhe schnellen und mein Herz rutscht in die Hose. Auch gut, so haben meine Lungen wenigstens schön viel Platz, um tief Luft zu holen.

„Ah, Frau Jahnz. Hier steht es ja, ihr TSH ist knapp unter der Grenze“ [Anm. pauschal sagt man: niedriger TSH (bei Schilddrüsengesunden) = Überfunktion. Niedrige freie Werte (also die tatsächlichen Schilddrüsenhormone) = Unterfunktion]. „Sie sind in der Überfunktion und da sollten wir jetzt wirklich mit der Dosis runter gehen!

Vor meinem geistigen Auge krümmt sich das arme Krümelchen und löst sich in Luft auf. Schade, schade Schokolade.

Es folgt eine sehr lange Diskussion über Sinn und Unsinn bestimmter Grenzwerte, die Interpretation derer bei bestehender Dysfunktion und täglicher erfolgender, recht unphysiologischer Einnahme von Ersatzhormonen und den komplexen Schilddrüsenkreislauf. Immerhin – sie nimmt sich die Zeit und vor allem: sie nimmt meine Worte und Symptome endlich ernst. Am Ende schließe ich mit einem Satz, der mir schon sehr lange auf der Seele brennt:

Wen wollen sie denn eigentlich behandeln? Die Laborwerte oder mich?

Kurzes Schweigen. Die Münze fällt: Kopf! Das Krümelchen erwacht zu neuem Leben.

…währt endlich gut? Zeit ist Geld!

Sage und schreibe 20 Minuten später sind wir uns einig: Unterfunktion. Dosiserhöhung – und zwar so, wie ich es vorschlage. Als ich die Praxis mit zwei neuen Rezpten verlasse, denke ich: warum nicht gleich so? Warum muss man so dermaßen kämpfen, um den Blick der Ärzte vom PC oder den Zahlen auf dem Papier auf den Mensch vor ihnen zu richten? Warum zählen Zahlen so viel mehr als das Gesamtpaket? Ganz einfach: Weil man sich für das Gesamtpaket Zeit nehmen muss. Weil sich kurze, schnelle Behandlungen besser rechnen. Zahlen muss am Ende der Patient – mit seiner Lebenszeit und oft auch mit der Gesundheit. Obwohl ich selbst Medizin im letzten Semster studiere, habe ich dennoch 2 Jahre gebraucht, um ernst genommen zu werden. Kein Wunder, dass die Foren im Internet aus allen Nähten platzen und ungehörte Stimmen verzweifelt nach Rat und Erfahrung suchen.

Ich weiß, im Vergleich können wir Deutschen uns über unser Gesundheitssystem freuen. Aber dennoch: an vielen Ecken und Enden hakt es ordentlich und eigentlich geht es immer um das selbe Problem: Das liebe Geld. Die Gesundheitsversorgung soll finanziell rentabel sein; Siehe auch den sich zuspitzenden Hebammen- und Pflegenotstand. Im großen und ganzen ist das Geld sogar da, es müsste nur „richtig“ umverteilt werden.

Nach dem Hürdenlauf…

So sehr ich mich auch über die Umstände und die verlorene Zeit (und cor allem Lebensqualität) ärgere, so sehr durfte ich mich letzte Woche freuen. Nach gut 3 Monaten und mit dickem Anpassungspuffer für meinen Stoffwechsel stand nun endlich die Laborkontrolle an. Über das Ergebnis war ich mir eigentlich schon im Vorfeld sicher. Seit ein paar Wochen nämlich fühle ich mich…normal! Unglaublich, wie schön „normal“ sein kann! Und ungaublich, wie kacke es mir lange ging und ich es einfach hingenommen habe – weil ich es nicht mehr anders kannte.

Dennoch war ich ziemlich gespannt auf den Anruf meiner Ärztin und ja, mein Herz hat dann doch ziemlich geklopft, als es wenige Tage nach der Blutabnahme klingelte. Was, wenn Frau Doktor doch plötzlich kalte Füße bekommt, weil der TSH unter der erhöhten Dosis weiter gesunken ist? Was, wenn sie alles besprochene über Bord wirft und mir die Medikamente wieder kürzen will?

…geht es bergauf!

In der Aufregung wische ich irgendwie falsch und schon ist der eingehende Anruf weg. Früher fand ich das doch ein bisschen einfacher: Knöpfchen drücken und gut ist. Dieses nach Links-, Rechts-, Oben-, Untengewische verwirrt mich irgendwie. Außerdem bin ich auch noch Mitten beim Sport und ziemlich außer Atem. 6 vergebliche Rückrufe meinerseits später, klingelt es endlich erneut und ich wische mit sehr viel Nachdruck nach rechts.

Wir begrüßen uns sehr freundlich und es folgt die Aufzählung meiner aktuellen Werte. Zuerst natürlich – wie sollte es anders sein – der TSH. Ja, der ist noch weiter gesunken. Nicht viel aber dennoch – bisher hat noch jeder Arzt an dieser Stelle leichte Panik geschoben, sämtliche klinischen Anzeichen und die freien Werte ignoriert und mir ganz fix die Medikamente gestrichen. Kein Wunder also, dass ich Frau Doktor nicht ausreden lasse, sondern ihr sofort dazwischengrätsche. Ihre Antwort verschlägt mir die dann doch die Sprache.

Kleine Wunder – Gute Ärzte gibt es doch!

Sie gibt mir recht. Mehr noch: eines der beiden Schilddrüsenhormone ist auf 100% gestiegen (das hatte ich noch nie! 30% war in all den Jahren das höchste der Gefühle). Der andere liegt bei 56% und nun kommt das beste:

Da ist noch Luft nach oben

Da ist noch Luft nach oben! Hat sie das wirklich gesagt?! Von sich aus? Der Wahnsinn! Keine Rede mehr von angeblicher Überfunktion oder Überdosierung. Ich weiß gar nicht, worüber ich erfreuter und überraschter bin – meine Werte oder die 180° Drehung der Ärztin. Seit unserem Gespräch muss sie sich wirklich Zeit genommen und tiefer in die Materie eingelesen haben. Respekt!

Wir vereinbaren zunächst bei der bisherigen Dosis zu bleiben, aber auf das Präparat eines anderen Hersteller zu wechseln. Erfahrungsgemäß hat dies die beste Bioverfügbarkeit. Je nachdem erhöhen wir dann sogar in ein paar Wochen noch ein Mal, ganz einvernehmlich und ohne Kampf.

Update: Meine Schilddrüse und ich

Da steht sie nun: eine riesige, köstliche Vertrauenstorte. Perfekt für meine Versöhnungsfeier – mit meiner Schilddrüse und mit der Ärzteschaft. Und ich bin stolz, weil ich nicht aufgegeben oder mich von den vielen Niederlagen habe abschrecken lassen. Jetzt heißt es Daumen drücken, dass es so bleibt wie es ist. Denn so darf es gern bleiben!

Meine Schilddrüse und ich: Update unterm dreck ists sauber
Update: Meine Schilddrüse und ich: Bye Bye Gänsehaut im Sommer!

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