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Darmkrebs durch Kuhmilch? – Kein Grund zur Panik!

Kürzlich stellte ein Forschungsteam des DKFZ (Deutsches Krebsforschungszentrum) ihre aktuellen Ergebnisse vor. Es geht um die Frage: Kann der Verzehr von Kuhmilch im Säuglingsalter die Entstehung von Darmkrebs auslösen? Und schützt Muttermilch unsere Kinder vor der Infektion?

Einer der führenden Mitarbeiter ist Harald zur Hausen, der sich seit vielen Jahren intensiv mit dem Zusammenspiel von Virusinfektionen und Krebstentstehung befasst. Dank ihm wissen wir heute, dass HPV Gebärmutterhalskrebs auslösen kann und dank ihm gibt es seit 2006 sogar einen Impfstoff der mit Sicherheit viele Leben gerettet hat. Im Jahre 2008 wurde er für seine Arbeit mit den Nobelpreis ausgezeichnet.

Nach dem Humanen Papillomavirus beschfassten er und sein Team sich mit der Frage, inwiedern der Verzehr von Rinderfleisch und Kuhmilch die Gefahr erhöht, an Darm- und auch Brustkrebs zu erkranken.

Schon seit über zehn Jahren steht diese Hypothese im Raum. Bisher ließen Beobachtungsstudien darauf schließen. Nun gibt es Gewissheit: Rinderfleisch und auch Kuhmilch enthalten Stoffe, die beim Menschen im schlimmsten Fall zu Krebs führen können.

Genau genommen handelt es sich dabei um einen „neuartigen“ Erreger, genannt BMMF (bovine milk and meat faktor), der sowohl Ähnlichkeiten mit Bakterien, als auch Viren zeigt und vom euröpäischen Rind auf uns übertragen werden kann. Anteile des Erregers konnten im umliegenden Gewebe menschlicher Darmtumore nachgewiesen werden. Vermutlich könnten! die BMMF über das Auslösen von Entzündungreaktionen auf Dauer zu DNA Schäden und damit zur Tumorentstehung beitragen. Eine weitere Forschergruppe konnte außerdem nachweisen, dass der Erreger langfristig in unseren Zellen überlebt. Allerdings fanden sie auch Antikörper in menschlichem Blut, die die entsprechenden Zellen abtöten können.

Kurz gesagt: Ja, der Verzehr von Rindfleisch und Kuhmilch könnte! (neben vielen anderen Ursachen!!) zur Entstehung von Darmkrebs beitragen. Kritsch ist wohl vor allem das erste Lebensjahr, da das Immunsystem unserer Babys dem Erreger noch nicht gewachsen ist.

Seit der Veröffentlichung der Ergebnisse habe ich viele besorgte Kommentare von Müttern gelesen. Grund dafür ist zur Hausens Aussage:

„Ich rate Müttern, ihre Kinder möglichst lange zu stillen, am besten über zwölf Monate.“

Die eigentlich doch sehr gute Nachricht lautet nämlich: bestimmte Zuckerverbindungen in der Muttermilch schützen vermutlich!! vor einer Infektion mit dem Erreger. Sowohl das Kind, als auch die mütterliche Brust. Das bedeutet: solange unsere Kinder Muttermilch bekommen, wird der Verzehr von Milchprodukten selbst im ersten Lebensjahr wohl keinen „Schaden“ anrichten. Kritisch wird es laut von Hauser erst, wenn beim Abstillen noch vor dem ersten Geburtstag mit Kuhmilchprodukten zugefüttert wird. In dieser Zeitspanne ist das kindliche Immunsystem noch nicht in der Lage, eine Infektion abzuwehren. Potentiell „nisten“ sich die Erreger in den Darmzellen ein und begünstigen das Wachstum von Tumorzellen. Dennoch, ich möchte an dieser Stelle ganz deutlich sagen:

Keine Panik!

Ich selbst habe den Großen knapp ein Jahr vollgestillt, bevor die Milchschleusen sich von einem auf den anderen Tag plötzlich schlossen. Neun Monate später, nach Ellas Geburt, bekam und bekommt er auch heute noch abgepumpte Muttermilch. Bis es aber so weit war, gab es für ihn Premilch. Unsere Marke besteht – wie ich gerade nachgelesen habe – unter anderem aus Molkeerzeugnissen und entrahmter Kuhmilch. Außerdem gab es glaube ich auch die ein oder andere Flasche Kuhmilch, wenn es mal schnell gehen musste. Obwohl er zu dem Zeitpunkt das kritische erste Lebensjahr fast vollendet hatte, hinterlässt das alles ein schlechtes Gefühl bei mir.

Habe ich unwissentlich mein Kind „vergiftet“?

Besonders diejenigen unter uns, die gerne (länger) gestillt hätten, es aber aus welchen Gründe auch immer nicht konnten, machen sich nun vielleicht Vorwürfe und Sorgen. Oder fühlen sich durch Artikel wie Darmkrebs: Mediziner warnen vor Kuhmilch angegriffen. Dieser und ähnliche Berichte brechen die Forschungsergebnisse auf ein Minimum herunter und verbreiten unnötig Panik, indem sie einige wichtige Aspekte einfach weglassen und dem Leser ein plakatives: Das ist gefährlich und Sie sollten unbedingt lange stillen!! vor die Füße werfen. Ich versuche euch das Puzzle mal ganz zusammen zu setzen:

Darmkrebs – Wie gefährlich ist das?

„[…] Darmkrebs [ist] derzeit bei Männern die dritthäufigste und bei Frauen die zweithäufigste Tumorerkrankung hierzulande. Deutschland liegt bei den Neuerkrankungsraten im internationalen Vergleich mit an der Spitze. Fachleute machen dafür unter anderem die Ernährungs- und Lebensgewohnheiten verantwortlich“*1
Allerdings nehmen die Neuerkrankungs- als auch die Sterberaten seit 2008 kontinuierlich ab. Im Jahre 2014 bekam in Deutschland insgesamt 61.000 Menschen  – d.h. einer von 1.250 – die Diagnose gestellt. (Zum Vergleich: die Anzahl der Verletzten im Straßenverkehr betrug 2018 knapp 40.000 und „zu Tode geraucht“ haben sich sage und schreibe 120.000!)
Die Chance, die nächsten 5 und auch 10 Jahre nach der Diagnsose zu erleben, liegt bei guten 60%. Tendenz steigend. Das Mittlere Erkrankungsalter liegt bei 72 (Männer) bzw. bei 75 (Frauen) Jahren. Nur 10% aller Fälle treten vor dem 55. Lebensjahr auf. Darmkrebs ist also ingesamt eine Erkrankung des Alters. Und eine, die durch mittlerweile sehr zuverlässige Früherkennungs- und Therapiemaßnahmen gut zu behandeln ist. Einer meiner Professoren sagte einmal: „Wenn ich mir einen Krebs aussuchen müsste, würde ich Prostata oder Darm nehmen. Die kommen spät, und wachsen langsam.“

Risikofaktoren für Darmkrebs – die Mischung machts

Den wenigsten wird der Darmkrebs in die Wiege gelegt. Der Anteil der genetisch vorbelasteten Darmkrebspatienten liegt bei ca. 5%. Aber auch hier gilt: Kann passieren, muss aber nicht.

Bis aus gesundem Gewebe am Ende richtiger Krebs wird, muss ganz schön viel passieren.

Täglich tanzen in unserem Körper so einige Zellen aus der Reihe. Viel Spaß haben die aber nicht, denn unser Immunsystem ist Meister im Erkennen und Reparieren von Fremdmaterial.  Was nicht ausgebessert werden kann, wird eliminiert. Mit dem Alter nimmt diese Fähigkeit allerdings ab und freche Zellvebände haben die Chance sich unerkannt zu vermehren. Risiko: Alt werden!

Wer raucht und Alkohol trinkt, fügt seinem Körper schädliche Umweltgifte zu. Tabak, Alkohol und ähnliche Genussgifte feuern das Entartungspotential unserer Zellen regelrecht an und begünstigt die Entstehung von so ziemlich jeder Krebsform. Wer verzichtet, lebt bewiesenermaßen länger und gesünder.

Übergewicht und wenig Bewegung

Als erstes denken die meisten da an die armen Gelenke und vielleicht noch das Herz. Tatsächlich fördert besonders das Bauchfett auch Entzündungsreaktionen, die – wie vermutlich auch die BMMF – langfristig Stress für unsere Zellen bedeuten. Umgekehrt senken bereits 30 bis 60 Minuten Bewegung am Tag nachweislich das Riskiko, an Darmkrebs zu erkranken. Dem Tumor davonlaufen – es ist möglich!

Viele Beobachtungsstudien haben zudem gezeigt, das der Verzehr bestimmer Lebensmittel stark mit dem Auftreten von Darmkrebs korreliert.

Schon seit Jahren warnen Experten besonders vor dem übermäßigen Verzehr von rotem (Rinder-)fleisch. Der sehr hohe Eisengehalt, bestimmte Abbauprodukte bei der Verdauung fetthaltiger Nahrung und das Entstehen schädliche Substanzen beim Grillen standen dabei bisher im Fokus. Das Vorkommen des „Rindervirus“ hat zur Hausen nun bestätigt. Sehr viel mehr aber noch nicht.

„Stimme seine BMMF-These, gehe jede zweite Krebserkrankung auf Infektionen zurück. Beim Dickdarmkrebs steige der Wert dann auf 75 bis 80 Prozent.“

Den Krebs mit dem Löffel gefressen?

Was ich euch damit sagen will? Die Presse stürzt sich auf ein paar neue Studienergebnisse und macht daraus das Beste, was sie kann: Panik und damit viele Zugriffszahlen. Die Enstehung von Krebs, besonders von Darmkrebs, hat sehr viele verschiedenen Ursachen. Die allermeisten davon haben wir erst im Ansatz verstanden und die Freude über neue Erkenntnisse ist berechtigterweise groß. Was wir kennen, können wir auch bekämpfen.

Diese Infektionsthese ist übrigens genau das: eine Arbeitsthese, die nun in verkürzter Form breitgetreten wird. Ja, vielleicht wird man in 80% aller Darmkrebspatienten diese noch nicht näher erforschten Erreger nachweisen. Aber das bedeutet umgekehrt nicht, dass eine Infektion damit in 80% der Fälle zu Krebs führt. Es einfach nur ein Hinweis, dass die Infektion mit BMMF eine Rolle spielen könnte. Wie groß diese Rolle wirklich ist, kann zur Zeit niemand sagen. Möglicherweise haben die armen Kerle nicht mal Text…

„Ich rate Müttern, ihre Kinder möglichst lange zu stillen, am besten über zwölf Monate.“

Wichtig beim Darmkrebs sind nicht die ersten 12 Lebensmonate, sondern viel mehr all das, was danach kommt. Darmkrebs ist eine Folge unseres „Lifestyles“. Mit gesunder Ernährung, etwas Bewegung und der Vermeidung von krankhaftem Übergewicht schützen wir uns am besten. Dein Kind hat Kuhmilch getrunken? So what? Möglicherweise ist das ein Samenkörnchen auf der falschen Seite der Krebswaage. Ein wichtiges Samenkörnchen, das durch weitere Forschung vielleicht auf die richtige Seite hüpft, sobald ein Impfstoff gegen den frisch entlarvten Erreger hergestellt werden kann.

Was wir für unsere Kinder tun können? Ganz einfach: ihnen ein gutes Vorbild sein.

Wie ernähre ich mich gesund, warum tut Bewegung dem Körper so gut und warum sollte ich die Finger von Zigaretten & Co. lassen? Was kann ich tun, wenn ich mich gestresst fühle und am liebsten nach Junkfood oder der Flasche greifen würde?

Was wir für uns tun können, außer Vorbild zu sein? Zur Vorsorge gehen! Ab dem 50. Lebensjahr übernimmt die gesetzliche Krankenkasse jährlich einen Test auf verstecktes Blut im Stuhl (mittlerweile sind diese Tests deutlich spezifischer geworden als noch vor ein paar Jahren). Ab 55 besteht dann ein Anspruch auf eine Darmspiegelung, die alle 10 Jahre wiederholt werden kann. Hierbei können gegebenenfalls Darmpolypen gleich entfernt werden, die sich sonst potentiell zu bösartigen Tumoren entwickeln könnten.

Take home message:

Ja, Herr zur Hausen hat einen weiteres von vielen, vielen Puzzleteilen entdeckt und vermutet eine schützende Wirkung in der Muttermilch. Dass Muttermilch ein kleines gesundheitliches Wunder ist, das ist der Wissenschaft in den letzen Jahren immer bewusster geworden. Mehr und mehr Studien fördern neue Erkenntnisse darüber zutage und nicht umsonst empfiehlt u.a. die WHO eine Mindeststilldauer von 2 Jahren. Rein gesundheitlich gesehen. (Siehe auch: Brüste sind zum Stillen da)

Der ganze Rest sind Spekulationen. Hast du lange gestillt oder stillst noch? Super!! Hat es nicht geklappt, oder es hat einfach nicht zu dir und deinem Leben gepasst? Mach dir keinen Kopf, es gibt so viel wichtigeres. Das Leben bewusst genießen zum Beispiel.

So, ich geh jetzt Pudding kochen. Mit Kuhmilch.

Was Ökotest dazu schreibt: lest hier

Quelle

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